Abb. 131
Stadtpfarrkirche St.Peter und Paul in Groß Wartenberg

Die Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul zu Groß Wartenberg Diözese Breslau

Von Gertrud Nawroth/ Herbert Pietzonka.

Geschichtlicher überblick

Im Mittelalter befanden sich außer der Haupt- und Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul noch vier kleinere Nebenkirchen in Groß Wartenberg:
Die Michaelskirche zwischen der Hauptkirche und dem Glockenturm. Von 1601 bis zum Stadtbrand im Jahre 1637 diente sie dem Gottesdienst der evangelischen Glaubensbrüder; sie wurde nicht wieder aufgebaut.
Die St. Nikolai- oder Hospitalkirche an der Kalischer-Neumittelwalder Straßenecke (Opatz-Ecke genannt).
Die Kirche St. Anna und Johannes an der Kammerauer Straße.
Die Kirche zu "Unserer heben Frauen" oder die Marienkirche an der Gabelung der Breslauer Straße Bahnhofstraße.
Das Patronat über die beiden Stadtkirchen übte der jeweilige Landesherr aus; bis 1489 der Herzog, danach der Standesherr. Dagegen besaß die Stadt das Patronat über die drei genannten Vorstadtkirchen, die im 30jährigen Krieg zugrunde gegangen sind.

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Grabdenkmal der Elisabeth Haugwitz geb. von Schaffgotsch. ältestes Grabdenkmal im Kreis Groß Wartenberg. Epitaph an der kath. Stadtpfarrkirche
Die Stadtpfarrkirche St. Peter und Paul ist wohl das älteste Bauwerk in Groß Wartenberg. In einer Urkunde vom 10. August 1287 wird das Vorhandensein der Stadtpfarrkirche festgestellt. Ob es aber das den Apostelfürsten Petrus und Paulus geweihte Gotteshaus war, ist nicht bewiesen. Aus einem Bericht des Bürgermeisters Burchard vom 30. Januar 1758 an den König geht hervor, daß in der Westwand unter dem Gewölbeschluß folgende deutlich lesbare Inschrift entdeckt wurde: "Anno 1446 d. 16. Juli haec testudo consumata est." Fraglich ist, ob sich diese Inschrift auf den Neubau der Kirche oder die Fertigstellung einer Reparatur bezogen hat.
Die Pfarrkirche ist ein gotischer Ziegelrohbau. Das Langhaus ist dreischiffig. An der Süd- und Nordseite des Langhauses ist je eine Kapelle angeordnet. Die ursprüngliche Anlage des Kirchengebäudes war basilikal. Große Instandsetzungen nach Stadtbränden und Anbauten haben im Laufe der Zeit das Gotteshaus umgestaltet. Besonders schwere Zeiten hatte die Kirche während des 30jährigen Krieges zu bestehen. Nach dem vorgenannten Bericht vom 30.1.1758 zählte die Stadt damals in 137 katholischen Familien 509 Seelen; in 94 evangelischen Familien 354 Seelen. Gegen Ende des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der katholischen Einwohner auffallend ab, was zum Teil auf die häufiger werdenden Mischehen zurückgeführt wurde.
Beim letzten großen Stadtbrand am 28. April 1813 wurde fast der ganze Stadtkern vernichtet. Es brannte nicht nur der Glockenturm aus, wobei die Glocken zusammenschmolzen und die Turmuhr zerstört wurde; auch der Kirchenbau erlitt schwere Schäden. In unmittelbarer Folge stürzten die Giebel des Langhauses ein, zerschmetterten nicht nur die Gewölbe desselben, sondern zerschlugen auch Orgel, mehrere Nebenaltäre, die Kanzel und fast sämtliche Bänke. Nur der Hochaltar, die Gewölbe über dem Presbyterium, die Marien-, Trinitatis- und Gruftkapelle sowie die in diesen Kapellen befindlichen Altäre blieben unversehrt.
In den folgenden 5 Jahren wurde das Gotteshaus notdürftig wiederhergestellt: das Dach abgewalmt, die drei Schiffe des Langhauses mit Gipsdecken versehen. Den Ausbau des Glockenturms stellte man vorläufig zurück. Wohl wurden 1867 zwei neue Glocken angeschafft (das Sterbeglöckchen aus dem Jahre 1732 blieb erhalten), die aber nur an einem hölzernen Notglockenstuhl ihren Platz bekamen.
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Monstranz und Ostensorium der Stadtpfarrkirche

Erst 92 Jahre nach der Brandkatastrophe konnte mit den Bauarbeiten am Gotteshaus begonnen werden, und zwar nach den Plänen des weithin bekannten Königlichen Baurats Adolf Köhler aus Oels, der auch die Oberleitung innehatte, während die Ausführung, dem Baumeister Weber aus Kempen übertragen wurde. Nun ging es zügig voran. Innerhalb eines Jahres (1905) veränderte sich das äußerliche Bild durch die beiden neuen Anbauten, der Vorhalle vor dem Hauptportal nebst besonderem Treppenhaus zur Orgelempore und einem Vorbau zu der unteren und oberen Sakristei, sowie dem barocken Dachreiter. Im folgenden Jahr erfolgte eine gründliche Renovierung des Innern. Danach wurde das fast ganz neue Orgelwerk durch die Firma Spiegel in Reichtal aufgestellt; desgleichen der renovierte Marien- und Trinitatisaltar und die Kanzel. Schließlich erhielt die Kirche auch ein neues Gestühl. Kaufmann Joseph Pistelok ließ auf eigene Kosten eine neue Kommunionbank aufstellen. Drei neue Fenster mit Glasgemälden im Presbyterium geben dem Gesamtbild eine besondere Note. Das Mittelfenster mit den Bildnissen der heiligen Apostelfürsten ist eine Stiftung des verstorbenen Stadtpfarrers Dilla, die beiden anderen stiftete der Geheime Justizrat Dr. Wieczorek. Die vier prächtigen Fenster der Marienkapelle verdankt das Gotteshaus SD. Prinz Gustav Biron von Curland.
Der eigentliche Aus- und Aufbau des Glockenturms verzögerte sich noch einige Jahre. Abgesehen von Finanzierungsschwierigkeiten erhob die Stadt Eigentumsansprüche auf dieses Bauwerk. Schließlich einigte man sich durch einen Vergleich. Aber am 27. November 1909 war es endlich soweit: zum ersten Male erklang das Geläut vom Glockenturm. Dieses bedeutende Wahrzeichen der Stadt hat eine Höhe von 56,20 m. Von der Galerie genießt man eine herrliche Aussicht.
Mit den gärtnerischen Anlagen, die der Prinzliche Gartendirektor Köchel im Frühjahr 1911 in uneigennütziger Weise ausführte, wurde nicht nur der Schlußstein für den beachtlichen Bauzeitraum gesetzt, sondern auch der Gesamteindruck verbessert.
Abb. 134
Markuskirche nach einer Federzeichnung von H. Fischer

Die Gesamtkosten des Kirch- und Turm-Wiederherstellungsbaues betrugen 150 000 Mark. Sie wurden aufgebracht durch den Patronatsbeitrag, die Nachlässe des Stadtpfarrers Kupietz und des Erzpriesters Dilla sowie Spenden der Gemeindemitglieder.
Franzkowski schließt dieses Kapitel mit folgender Aussage: "Dank Unterstützung des kunstsinnigen Pfarrers (gemeint ist Erzpriester Hahn) haben Baurat Köhler und Kreisbauinpektor Stössel es verstanden, bei oft mühevoll gewahrter Stileinheit das altehrwürdige Gotteshaus mit seinem Glockenturm in so hübsche Bauwerke umzuschaffen, daß diese nun, schöner denn je, der ganzen Stadt zur vornehmsten Zierde gereichen."
Abb. 135
Der im Jahre 1915 neu erbaute Hochaltar der kath. Stadtpfarrkirche Groß Wartenberg

Zur Abrundung dieses Kurzberichts wird noch auf nachstehende Besonderheiten hingewiesen: In der Südwand der Marienkapelle befindet sich ein sehr interessantes gotisches Sakramentshäuschen aus Sandstein mit wertvollem, Eisengitter. - Weiter gehört ein Taufstein mit achteckigem Becken dazu, der Motive aus der Spätrenaissance aufzeigt. - Nicht zu übersehen sind die Grabdenkmäler der Standesherren: von Haugwirtz, von Maltzan und Biron von Curland. - Als besonderes Kunstwerk ist noch eine schöne, weißsilberne, teilweise vergoldete Monstranz aus dem 18. Jahrhundert zu nennen.
Eine enge Verbindung bestand zur Wallfahrts- und Begräbniskirche St. Markus, etwa 4 km von der Stadt entfernt, am Wege nach Bischdorf. Sie stammt wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert und soll der Sage nach bei einer Pest infolge eines Gelöbnisses von unseren Vorfahren errichtet worden sein. Das jetzige Gebäude ist ein Schrotholzbau von 1622, mit eingezogenem nach drei Seiten des Achtecks geschlossenen Chor. Der Dachreiter ist aus dem 18. Jahrhundert. Das weithin hörbare Glöcklein darin trägt die Jahreszahl 1599 mit der Umschrift: "Gottes Segen macht reich." In der Kirche befindet sich ein Altarschrein, ein Holzrelief - Maria mit dem Jesuskinde - aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Im Jahre 1848 wurde das Kirchlein gründlich renoviert. - Auf dem Hauptweg zum Markusberg befinden sich 14 aus Stein gemeißelte Kreuzwegstationen, die Kommissarius Hahn nach dem Ersten Weltkrieg errichten ließ. Am Sonntag nach dem 25. April, dem Tage des Evangelisten Markus, fand alljährlich das Markusfest statt. Die Beteiligung an der Prozession war immer sehr groß.

Quellenangabe: J. Franzkowski: Geschichte der freien Standesherrschaft, der Stadt und des landrätlichen Kreises Groß Wartenberg. Erschienen 1912 im Selbstverlag des Verfassers in Groß Wartenberg.

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