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Ober-Stradam
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Ober-Stradam
Eine
Dorfbeschreibung aus dem südlichen Kreisteil
Von Heinrich Zeiske
Um einen Begriff über die besonderen Verhältnisse in Ober-Stradam zu
bekommen, muß man sich ein gemischtes Dorf von 3,5 Kilometer Länge mit
etwa 900 bis 1000 Einwohnern vorstellen. Als gemischt ist es deshalb zu
bezeichnen, weil neben zwei Gütern (von Reinersdorff in Ober-Stradam und
Eschenbach in Mittel-Stradam) mit eigenen Brennereien, Schmieden und
Stellmachereien 42 mittlere und kleinere landwirtschaftliche Betriebe
und eine Vielzahl von sonstigen Einrichtungen und Gewerben vertreten
waren. Es soll der Versuch gemacht werden sie nachstehend alle
aufzuzählen:
Bahnstation, Posthaltung, Polizeistation, Volksschule, evangelische Kirche,
katholische Kirche, Molkerei, 3 Kaufläden, 3 Gastwirtschaften mit
Fleischerei, 3 Bäckereien, Getreide-, Kunstdünger und Kohlehandlung,
Sägewerk, Ziegelei, Stellmacherei, 3 Schuhmacher, 2 Schmieden, Elektriker, 2
Friseure, 3 Schneider, 1 Böttcher, 1 Tischler, 1 Sattler, 1 Brunnenbauer, 1
Fahrrad- u. Motorfahrzeugreparaturwerkstatt.
Neben 1 Zahnarzt, 1 Hebamme und 1 Masseur sowie Schwesternstation waren
früher auch 1 prakt. Arzt und ein Tierarzt in Ober-Stradam ansässig.
Die 42 Landwirtschaften setzten sich zusammen aus:
2
Wirtschaften mit über 15 ha und 3 Pferden
4 Wirtschaften mit 10-15 ha und 2 Pferden
7
Wirtschaften mit 8-10 ha und 2 Pferden
10 Wirtschaften mit 5- 8 ha und einem Pferd
19 Wirtschaften mit 5- 8 ha,
die mit Kuhgespannen arbeiteten. Dazu gab es zwei Zuchtbullen und zwei
Eberstationen.
95 % der Bauernhäuser waren massiv gebaut und mit Hartdach versehen,
desgleichen die Stallungen und die Scheunen. In vielen Fällen lag der
größte Teil des Ackers direkt im Anschluß an den Hof. Später
hinzugekauftes oder gepachtetes Land lag dann etwas abseits.
Die
Beschaffenheit des Bodens war überwiegend leichterer Art: sandiger
Lehmboden und lehmiger Sandboden. Wirtschaften mit besserem Boden bauten
auch Weizen, Zuckerrüben, Rotklee und Luzerne an. Bei den anderen
überwiegend Roggen, Kartoffeln und Futterrüben. Bedingt durch diese
Anbauarten war der Viehbestand, der oft mit Schweinemast verbunden war,
besonders hoch. Zwei bis drei Zuchtsauen kamen nicht selten vor, denn
Ferkel waren auf dem eigenen Hof, bei kleineren Betrieben und Arbeitern
sehr begehrt. Als in den Vorkriegsjahren die Milchpreise anstiegen,
wurde auch oft eine Kuh über den eigentlichen Bestand hinaus gehalten.
Der hohe Viehbestand hatte wiederum einen hohen Anfall von Stalldünger
zur Folge. Der Erfolg davon waren recht gute Ernteerträge.
Die
Fruchtfolge war meistens: Hackfrucht, Sommergetreide, Wintergetreide,
wieder Stalldüngung zur Hackfrucht. Zu der Stalldüngung kam noch
zwischendrin die Gründüngung (Lupine, Senf usw.) Bei den Wirtschaften
mit besserem Boden war die Fruchtfolge: Hackfrucht, Sommergetreide mit
Klee, Klee, Weizen oder Wintergetreide, wieder Stallmist zur Hackfrucht.
Hier wurde natürlich auch noch Gründüngung verwendet. Um die Fütterung
zu bereichern, betrieb man Winterzwischenfruchtanbau: Futterroggen,
Roggen mit Wicken, Landsberger Gemenge, (Roggen, Wicken, Inkarnatklee),
Wicken mit Inkarnatklee. Diese vier Zusammensetzungen wurden in der
angegebenen Reihenfolge nacheinander zeit- und mengenmäßig
fütterungsreif. Danach konnte man das Land noch mit Kartoffeln oder,
falls der Rotklee ausgewintert war, auch mit Futter oder Mais
bestellen. Das Winterzwischenfutter wurde meist bis Ende Mai verfüttert,
anschließend stand dann schon der erste Rotklee zur Verfügung. Betriebe,
die Zuckerrüben anbauten, hatten durch das Rübenblatt ein recht
reichliches und gutes
Herbstfutter. Auch zum Silieren fürs kommende Frühjahr, wenn die
Runkelrüben nur noch als Ballastfutter anzusehen waren, war das
Rübenblatt besonders wertvoll. Ebenso dienten Stoppelklee, der dritte
Schnitt des alten Klee, Sommerzwischenfruchtfutter (wie Süßlupine,
Futtermais, Sonnenblumen, Peluschken usw.), Seradella und dergleichen
mehr durch das Silo im Frühjahr oder an futterarmen Sommertagen als
milchbringendes Zusatzfutter. Dadurch, daß die Dauerweiden, auch für
Milchvieh, nicht vorhanden waren, wurde in der Fruchtfolge besonderer
Wert auf Futteranbau gelegt. Deshalb kam der Klee noch vor dem Weizen,
zumal er ja als Stickstoffsammiler eine gute Vorfrucht für Weizen war.
Bei Dauerweidemöglichkeit hätte man sicher in der Fruchtfolge den Weizen
nach der gedüngten Hackfrucht gestellt. Dasselbe tat man auf leichterem
Boden, der keinen Klee trug. Bei uns ging das Hineinsäen des Rotklees in
den Roggen in Frühjahr nicht immer gut, da bei Trockenheit der Boden
nach dem Abernten so hart wurde, daß Risse entstanden und die noch
kleinen Wurzeln des Klees abrissen, weil er ja nur obenauf gesät wurde
und nicht in den Boden eingebracht werden konnte. Beim Sommergetreide,
meistens Hafer, wurde der Kleesamen bereits vor dem Säen mit dem
Getreide gemischt und kam so beim Drillen mit in die Erde. Wintergerste
wurde gern angebaut, da ihre Ernte schon Anfang Juli vor dem Roggen lag
und bis zur Roggenernte das Wintergerstenfeld schon wieder mit
Zwischenfruchtfutter bestellt war.
Kartoffeln, die man nicht für Mensch und Vieh über den Winter für
Eigenbedarf benötigte, wurden nach dem Ernten sofort sortiert,
Speisekartoffeln verkauft, Saatkartoffeln für den Eigenbedarf und auch
zum Verkauf über den Winter eingemietet (eingekupst). Die kleinen und
die nicht lagerfähigen Kartoffeln wurden entweder in der Brennerei zu
Flocken verarbeitet oder mit der Dämpfkolonne gedämpft und ins
Kartoffelsilo gestampft. Beides ergab ein gutes Schweinefutter während
der arbeitsreichen Sommerszeit. Außerdem ersparte man sich das
langweilige Kartoffelabkeimen und die 10 % Schwund der Kartoffel über
den Winter.
Die durchschnittlichen Ernteerträge waren bei Winter- und Sommergetreide
zwischen 12 und 15 Zentner je Morgen, in besonders guten Jahren konnte
man auch 18 Zentner und mehr ernten, in schlechten Jahren dagegen mußte
man auch mit 8 bis 10 Zentnern zufrieden sein. Kartoffeln brachten 120
bis 150 Zentner je Morgen, Zuckerrüben 200 bis 250 Zentner und
Futterrüben 300 bis 400 Zentner je Morgen.
Der Viehbestand lag bei
Wirtschaften um 15 ha bei zwei bis drei Pferden, sechs bis acht
Milchkühen und ebensovielem Jungvieh, dazu etwa 15 bis 20 Schweine.
Wirtschaften um 10 ha hatten neben ein bis zwei Pferden, vier bis sechs
Milchkühe und Jungtiere sowie etwa 10 bis 15 Schweine. Kleinere
Wirtschaften besaßen im entsprechenden Verhältnis weniger Vieh.
Die
Arbeitskräfte waren zum allergrößten Teil Familienmitglieder. Bei
kleineren kinderreichen Familien gingen sogar etliche Kinder in größere
Betriebe arbeiten. Wo die eigenen Arbeitskräfte nicht ausreichten, waren
oft 1 bis 2 Knechte und Mägde, auch "Gastarbeiter" vorhanden. Zur
Getreide- und Hackfruchternte halfen sich die Nachbarn mit Gespannen und
Arbeitskräften gegenseitig. Auch wurden an sehr arbeitsreichen Tagen
zusätzliche Arbeitskräfte beschäftigt.
In den zwanziger Jahren wurde ein
Teil des Getreides oft gleich auf dem Feld mit der großen
Leihdreschmaschine (Tschapke, Widawe) gedroschen. Auch die Kartoffeln
wurden zu dieser Zeit fast nur mit dem Ruhrhaken und der Handhacke
ausgehackt. Kurz vor und während des Krieges waren aber schon etliche
Betriebe mit eigenen Dreschmaschinen, Kartoffelrodern, Selbstbindern und
sonstigen modernen Maschinen ausgerüstet.
Unter heutigen Verhältnissen
wäre die Modernisierung und Erleichterung der schweren Arbeit der Bauern
sicher durch manchen Traktor, Mähdrescher oder durch Melkmaschinen u. ä.
weiter fortgeschritten, wie es derzeit überall üblich ist.
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