Neumittelwalde
Von Karl-Heinz Eisert
Wer die Geschichte des Kreises Groß Wartenberg schreiben will, darf
nicht vergessen, daß es durch Jahrhunderte hindurch die Geschichte eines
Ringens und endlichen Behauptens des deutschen Elements in jenen
östlichen Teilen Schlesiens gewesen ist; darf auch nicht vergessen, daß
sich dort vieles gemischt und verbunden hat, daß es ein Landstrich war,
in dem durch Zweisprachigkeit die Grenzen verzerrt und verschoben waren,
und daß sich diese Situation im Jahre 1920 durch die Grenzregelungen mit
dem nach dem Ersten Weltkrieg neu erstandenen polnischen Staat bereits
einmal zu unserem Nachteil auswirkte. Heute jedoch ist es der
kommunistische polnische Staat, der sich zur Sicherung seines
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Neumittelwalde, Kraschner Straße, linke Straßenseite Mitte
das "Alte Gericht", rechte Seite das Rathaus, früher gräfl. von
Reichenbachsches Schloß
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Gebietszuwachses aus dem Zweiten Weltkrieg derselben Argumente bedient;
nur daß man heute diese "angebliche polnische Vergangenheit" auf ganz
Schlesien ausdehnt. Zwar gab es die Verschiedenheit der Völker natürlich
auch früher, nur wurde der Gegensatz 1636, 1730, 1763, 1812, 1848 sicher
noch nicht so sehr als "national" in unserem Sinne motiviert. Und doch
erzählen alte - noch nicht von einem national-großpolnischen Denken
beeinflußte Quellen immer wieder von der deutschen Vergangenheit und dem
damit verbundenem Aufblühen des Landes und der Städte und Dörfer.
überall wurden Städte zu "Deutschem Recht" ausgesetzt. Innungen und
Zechen und alte Gilden - also der heutige Mittelstand, das Handwerk usw.
- haben deutschen Ursprung und sind immer wieder die Träger des
Fortschritts und der Kultur im langen Zeitraum der Geschichte.
So
erhielt auch Neumittelwalde - bis 1886 hieß es Medzibor - am 6. Mai 1637
durch Herzog Heinrich Wenzel das deutsche Stadtrecht. über die
"Entwicklung von Neumittelwalde" hat Prof. Dr. Herbert Schlenger (+ 3.12.1968)
in einer Neubearbeitung der Festschrift zur Dreihundertjahrfeier der
Stadtgründung von Neumittelwalde aus dem Jahre 1937 alles
Quellenmaterial durchforscht und mit dieser kleinen Schrift den
Neumittelwaldern ein ganz spezielles Erinnerungsbüchlein geschenkt.
Eine gute Quelle ist auch heute noch immer die Franzkowskische
"Geschichte der freien Standesherrschaft, der Stadt und des
landräthlichen Kreises Groß Wartenberg". Dort lesen wir über die
Stadtverwaltung: "Der Magistrat bzw. das Ratskollegium wurde ehemals vom
Herzog als dem Grundherrn ernannt und bestand anfänglich aus vier, seit
Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Einführung der Städteordnung aber nur
aus drei Mitgliedern. Seit Einführung der Städteordnung besteht der
Magistrat aus fünf, die Stadtverordnetenversammlung aus zwölf
Mitgliedern."
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Freiwillige Feuerwehr Neumittelwalde,
Weihnachtsfeier 1932
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Franzkowski nennt als Bürgermeister seit Einführung der
Städteordnung: Johann Gottlieb Hauser, Karl Gottlieb Polle, Joseph Just,
Friedrich Gardemin, Karl Bauschke, Wilhelm Schottky, Johann Karl
Christian Feierabend, Alexander Schottky, Wilhelm Dittrich
(kommissarisch) bis 1853, Wilhelm Köhler 1853-1871, Gustav Hertzsch
1871-1874, Wilhelm Dittrich vom 29. Januar 1875 bis in die Jahre vor dem
Ersten Weltkrieg (er war zugleich Polizeiverwalter, Standesbeamter und
Amtsanwalt). Wir können Franzkowskis Liste noch weiterführen mit den
Bürgermeistern Neumann und Jäschke, der in schwerer Zeit als
Bürgermeister aus Berlin nach Neumittelwalde kam; er war der letzte
Bürgermeister vor 1933. Das Dritte Reich brachte Neumittelwalde den als
Ortsgruppenleiter streng auf die Partei ausgerichteten Georg Ullrich als
Bürgermeister. Nach dessen Wegzug (er nahm in Breslau eine Parteistelle
ein), wurde der aus dem Ersten Weltkrieg schwerbeschädigte Gutsbeamte
Gustav Hoffmann Bürgermeister. In den dazwischenliegenden Zeiten wachten
über das Wohl der Stadt vertretungsweise Beigeordnete oder
Magistratsmitglieder. So war zeitweise Tierarzt Dr. Barbarino und
Bäckermeister Hugo Lachmann u. a. mit der Wahrnehmung der Geschäfte des
Bürgermeisters betraut.
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"Kulturkonferenz " im Pastorenhaus von li: H. Reimnitz,
Wilhelm Menzel (Menzel- Willem), Frl. Wennrich, Frau H. König,
Pastor H.-J. König mit dem Schäferhund "Asta". Ende der 20er Jahre.
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Das Stadtsiegel zeigte als Wappenbild eine
ausgerissene Tanne mit Wurzel und einem über den Stamm gelegten
Andreaskreuz. Es führte die Umschrift "Sigillum civitat. Medziborensis",
seither heißt die Umschrift ;"Stadt
Neumittelwalde". (Siehe Abb.)
Als ältesten Verein gab es vor dem Ersten
Weltkrieg die Schützengilde. Sie bestand seit 1643. Es folgten (dem
Alter, nach) der Landwehrverein, gegründet am 13. Januar 1867; der
Lehrerverein, gegründet am 8. August 1874; der Armenverein (15. Oktober
1876); der Gesang- und Musikverein (13.4.1891); der Turnverein (9.
August 1895); der Darlehnskassenverein
(26. Februar 1896); der Gesangverein "Kirchenchor" (1.2.1901); den
Ortsverein Neumittelwalde im Deutschen Verein des Blauen Kreuzes
(29.2.1908); den Evangelischen Jungfrauenverein (1.9.1909); den
Katholischen Volksverein (13.11.1910 gegründet durch Pfarrer Pitynek).
Nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Liste der Vereine um einige
erweitert werden, während ein Teil der alten Vereine ein Schattendasein
führte und nur
dem Namen nach noch bestand. Es kamen als Neugründungen dazu: der
Männergesangverein, er wurde unter Leitung von Kantor Karl Eisert (1946
+) bedeutender Kulturträger der Stadt; die Freiwillige Feuerwehr, von
deren Weihnachtsfeier aus dem Jahre 1932 noch ein nettes Foto vorhanden
ist. Auch der Volksbildungsverein wurde in den zwanziger Jahren
gegründet. Er war wirklich segensreich auf kulturellem Gebiet tätig und
eine ganze Reihe schöner Aufführungen berühmter Bühnenstücke durch das
Schlesische Landestheater im Weißschen Saale ist ihm zu verdanken;
außerdem bemühte er sich in den Wintermonaten mit guten
Lichtbildervorträgen und Vortragsabenden durch namhafte Kräfte
schlesischer Universitäten und Institute um eine wahre Volksbildung.
Vergessen sei nicht der kleine evangelische Christliche Verein Junger
Männer (CVJM), den Pastor König ins Leben rief, der mit Laienspielen und
kirchlichen Feierstunden in der evangelischen Kirche und mit seinem
Posaunenchor aus dem Leben der Evangelischen Gemeinde nicht wegzudenken
war. In diesem Zusammenhang sei auch an das Turmblasen an den
kirchlichen Feiertagen und besonders auch in der Silvesternacht zur
Begrüßung des neuen Jahres erinnert. Doch gehört dieser Brauch
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Schützenfest in Neumittelwalde,
Antreten der Gilde auf dem Ring. (20er Jahre)
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Abb. .- .
mit zur Geschichte von Neumittelwalde und war schon früher üblich. Wenn
er auch vorübergehend einige Jahre einschlief, so führten doch immer
wieder Musiker und Musikerfamilien, wie die Wegehaupts und Spillers, und
später der Posaunenchor diese alte schöne Sitte weiter. Unter den
Vereinen ist auch noch besonders der Obst- und Weinbergsverein zu
erwähnen. Er hat für die vielen Garten- und Weinbergsbesitzer und für
Neumittelwalde als Obstbaugebiet gute Arbeit geleistet, wobei er in
Gerhard Simon, als erstem geprüftem Baumwart eine gute Hilfe und Stütze
fand. Zum Schluß dieses Vereinsregisters noch etwas über den ältesten
Verein der Stadt Neumittelwalde, wir folgen dabei den Ausführungen die
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Ausmarsch der Schützengilde und der befreundeten Vereine zum
Schützenfest im Jahre 1932.
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Franzkowski auf Seite 337 seiner "Geschichte der freien
Standesherrschaft . . ." aufgezeichnet hat: Die Schützen-Gilde bestand
seit 1643. Im Stadtarchiv in Neumittelwalde existierte ein
Original-Pergament aus dem Jahre 1644 mit der durch Herzog Karl
Friedrich erteilten Schützenordnung. Anläßlich der Feier des 50jährigen
Bestehens beehrte der Herzog die Gilde durch Verleihung einer silbernen
Kapsel an silberner Kette. Besonders festlich wurde das 150jährige
Bestehen am 28. August
1793 begangen, am dem der Herzog Friedrich August selbst teilnahm, oder
wie Franzkowski schreibt, "das Herzog Friedrich August durch seine
Gegenwart auszeichnete". Zur Erinnerung an diesen Tag schenkte er der
Gilde,seinen silbernen Stern, mit seinem Bild und einer Widmung. Der
damalige Schützenkönig, der
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Uniformierte
und "Schwarze Schützen" beim Frühschoppen im Schützenhausgarten
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Herzogliche Oberamtmann Adamy, widmete zum Andenken ein silbernes
Ehrenschild. "Zur Erinnerung an die beim Schützenfest 1861 für Seine
Majestät König Wilhelm I. erschossene Königswürde erhielt die Gilde als
Allerhöchste Auszeichnung eine große silberne Medaille," so berichtet
wieder wörtlich zitiert, Franzkowski.
Die Medaille trägt auf der Vorderseite (im Avers) ein Bildnis
des Königs, die Rückseite (Revers) trägt die Inschrift "Königsschuß vom
12. August 1861 durch Benjamin Dreßler". Diese Medaille und der 1793
verliehene Stern waren zusammen mit seltenen Silbermünzen zum
Königsschmuck, zur Königskette
vereinigt, die der jeweilige Schützenkönig trug. Die Insignien der Gilde
sind erhalten geblieben und befinden sich im Heimatmuseurn der Stadt
Rinteln an der Weser, dem Sitz des Patenkreises der Groß Wartenberger.
.Der Schützengilde gehörte ein Schützenhaus und
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Historisches Gasthaus "Zum Schwarzen Bären"
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Schützengarten mit Schießstand am Ausgang der Stadt in Richtung Groß
Wartenberg. Er war mehr als 36 Ar groß und wurde in den letzten Jahren
noch durch Zukauf von angrenzendem Gelände beträchtlich erweitert. 1884
wurde König Albert von Sachsen Besitzer der Herrschaft Neumittelwalde.
Aus diesem Anlaß erhielt die Gilde von ihm ein Gnadengeschenk von 1200
Mark und baute dafür das erwähnte Schützenhaus. Am 27. Januar 1910
(Kaiser Geburtstag, Wilhelm II.) "wurde die neu angeschaffte
Schützenfahne zum erstenmal beim feierlichen Kirchgang der Gilde
vorangetragen". Die Gilde zählte im Jahre 1911 56 Mitglieder, von denen
die Hälfte uninformiert war. 20 Wochenschießen mußten statutenmäßig
abgehalten werden. Das Königschießen wurde alljährlich im letzten
Drittel des Juli abgehalten.
Die kirchlichen Verhältnisse
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Neumittelwalde. Ev. Kirche "Zum heiligen Kreuz" Pfarramt I,
alte Volksschule, die in den 30er Jahren eine Abteilung des
Reichsarbeitsdienstes aufnahm. (Oberstfeldmeister Klose war Lagerführer).
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Mit dem Datum vom 14. Januar 1376 gibt eine Urkunde, welche die
"plebanus ecclesia in Meczobor" erwähnt, die erste Nachricht über eine
Pfarrkirche in Neumittelwalde.
Die Olsnographia des Sinapius berichtet
aus dem Jahre 1481 von einem Neubau der auf einer Anhöhe stehenden
Kirche durch Melchior vom Rohr, dem Besitzer von Medzibor. Um die Mitte
des 16. Jahrhunderts wurde die Kirche protestantisch und ist es bis in
die Neuzeit hinein geblieben. Franzkowski erwähnt in seiner "Chronik",
daß die Meinung vertreten wurde, es haben neben dem evangelischen
Pfarrer bis 1607 zugleich noch ein katholischer Pfarrer an der Kirche
amtiert. Dies sei aber eine durch nichts bewiesene Annahme. Zwar soll
die Kirche noch 1555 katholisch gewesen sein, aber dann mußten 300 Jahre
vergehen, bis wieder eine katholische Seelsorgestelle in Neumittelwalde
errichtet werden konnte.
Die Einführung der Reformation erfolgte, wie
überall in der Herrschaft, auch hier um 1560. Erster lutherischer
Pfarrer ist mit Sicherheit Georg Kukla gewesen.
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Orgelchor der ev. Kirche. Links vom Spieltisch der Orgel Kantor
Eisert, rechts Hauptlehrer Barth.
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Die Eigentümlichkeit der
zwei selbständigen Pfarrämter an der Neumittelwalder Kirche geht bis in
diese frühe Zeit zurück. Schon 1607 wurde dem Pastor ein Diakon zur
Seite gegeben, da die zahlreichen zur Kirche gehörenden Gemeinden von
einem Geistlichen nicht allein betreut werden konnten und das in diesen
Gemeinden starke wasserpolnische Idiom einen Geistlichen erforderte, der
den Gottesdienst auch in dieser Sprache halten konnte. Der
gemeinschaftliche Gebrauch der einzigen Kirche führte natürlich zu
Reibungen, und so hat man das Diakonat in ein zweites selbständiges
Pfarramt umgewandelt. J. E. W. Vieweg berichtet in seiner
"Schulchronik" daß dies schon 1624 geschehen sei. Franzkowski nimmt in
seiner "Geschichte der freien Standesherrschaft . . ." (kurz mit Chronik
bezeichnet) an, daß die Einrichtung des zweiten Pfarramts erst nach 1633
geschehen sein müsse. Als Beweis führt er die Kirchenordnung, die Herzog
Heinrich Wenzel von Münsterberg-Oels als Landesherr und Kirchenpatron am
18. November 1633 erließ, an, welche auch die Unterschriften der beiden
Geistlichen trug. Andreas Peusertus unterzeichnete als "Pastor"
und Johannes Cretius als "Diaconus". In der
Kirchenordnung ist auch nirgends von zwei Pastoraten die Rede. Das
Original dieser Kirchenordnung, mit Unterschriften und 15 beigedrückten
Siegeln einst im Königl. Staats-Archiv aufbewahrt, enthielt Bestimmungen
über den Gottesdienst, die kirchlichen Fürbitten, über die Gebühren von
Begräbnissen, Trauungen und Taufen, über die Deputatlieferungen, die
Abführung des Zehnten und des Tischgroschens.
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Blick vom Kirchturm auf die
Häuser am Ring. Rechts neben Max Werner, das Gebäude der früheren kath.
Schule und Kirche. Später Bäckerei und Cafe Eitner.
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Schon 1607 war die
Herrschaft Medzibor dem unter einem protestantischen Fürstenhause
stehenden Herzogtum Oels einverleibt worden, so blieb auch nach dem
Westfälischen Frieden die Pfarrkirche zu Medzibor dem neuen
protestantischen Glauben erhalten. Während der schrecklichen Pestzeit
mußte jeglicher Gottesdienst unterbleiben; die deutsche Gemeinde feierte
den Weihnachtsgottesdienst im Pestjahr 1710/11 auf dem Marktplatz in
Neumittelwalde. 1719 wurde am 29. Juni in Gegenwart der Herzogin und
ihres Sohnes der Grundstein zu einer größeren massiven Kirche gelegt, da
die vorherige hölzerne Kirche baufällig und unzureichend geworden war.
Der Bau war bereits ein Jahr später fertiggestellt, die Einweihung
erfolgte aber erst am 28. Oktober 1725. Die in Kreuzform gebaute Kirche
erhielt den Namen "Zum heiligen Kreuz". 1748 und 1798 trafen die Kirche
Blitzschläge, ohne jedoch nennenswerten Schaden anzurichten. Im Jahre
1802 wurde der um die Kirche gelegene Friedhof eingezogen, seine
Umfassungsmauer abgetragen, und der Boden eingeebnet; nur ein Rest der
Mauer blieb auf der Westseite des Kirchplatzes stehen.
Der außerhalb der
Stadt neu angelegte Begräbnisplatz mußte schon 1831 auf der östlichen
Seite bedeutend erweitert werden. Am 2. Mai 1836 brannten infolge eines
Blitzschlages trotz aller Löschhilfe Turm und Kirche völlig aus. Fast
zwei Jahre diente ein an der Nordseite der Stadt gelegenes herzogliches
Magazin als Notkirche, bis am 26. März 1838 der Anfang gemacht wurde zur
Wiederherstellung des Gotteshauses. Die Bauausführung war Baumeister
Lehmann aus Oels übertragen worden, und am 24. August des Jahres 1838,
also noch im Jahre des Baubeginns, konnte bereits der Turmknopf
aufgesetzt werden. Am 13. Dezember 1839 war der Bau beendet
und mit der Kirchweihe wurde die Wiederherstellung abgeschlossen.
Die
Kirchenuhr war ein Geschenk des Herzogs und stammte aus dessen
Jagdschloß zu Wilhelminenort. Zur Pfarrkirche in Neumittelwalde gehörten
damals 34 Gemeinden. Im Jahre 1901 wurde die Parochie Suschen errichtet,
an die einige Gemeinden abgetrennt wurden. Es verblieben aber immer noch
27 Gemeinden bei der Kirche, bis durch den Versailler Friedensvertrag
nach dem Ersten Weltkrieg erneut der Kirchenbezirk eine Verkleinerung
erfuhr. Jeder der beiden Pastoren hatte sein eigenes Pfarrhaus mit den
Wirtschaftsgebäuden, wozu auch eine Scheune
gehörte; denn die Einnahmen des Pfarrers bestanden auch aus Nutzungen
des Kirchenackers und Waldes. Sofern der Pfarrer es nicht vorzog den
Acker zu verpachten, konnte er auch selber das Land bewirtschaften.
Franzkowski führt in seiner Chronik ein Verzeichnis der Geistlichen an.
Er dürfte sich wohl im wesentlichen auf die Viewegschen Angaben stützen.
Das Verzeichnis beginnt mit Georg Kukla (1581), dann folgt Johann Grun
bis 1607 und bis 1624 Daniel Milich, ein geborener Wartenberger. Hier
beginnt die Teilung in eine deutsche Gemeinde und eine sogenannte
polnische Gemeinde. Die Geistlichen der ersteren Gemeinde sind
Georg Wellich [bis 1630]
Andreas Peusertus [bis 1662]
M. Johann Wagner [bis 1670]
M.August Pfeiffer [bis 1673]
Johann Ernst König [bis 1686]
Christian Tschirbock [bis 1697]
Karl Friedrich Zegla (ein geborener Wartenberger) [bis 1700]
Johann Deutschmann [bis 1704]
M. Gottfried Gottschüng [von 1704 b. 1752] (Er stand im Rufe eines sehr frommen
Predigers und hat sich auch als geistlicher Liederdichter einen Namen
gemacht. Er starb im Alter von 72 1/2 Jahren. Wenn er noch 5/4 Jahr
gelebt, hätte er sein goldenes Amtsjubiläum feiern können.)
M. Christoph Klärner [bis 1773]
Christian Samuel Peuker [bis 1811]
Christian Samuel Dirlam [bis 1844]. Er war 13 Jahre Pastor in Peuke und 32
Jahre in Medzibor, er starb 72 Jahre alt, im Jahr 1844.
Adolf Eduard Willibald Jäschke [bis 1851]
Karl Ludwig Appenroth [ab 1852 bis 1874]. Er wurde
mit der vorläufigen [ 1871 ] und später [1873] endgültigen Verwaltung
der neu errichteten Superintendentur Groß Wartenberg betraut und starb
am 20. Mai 1874.
Alexander Gärtner [bis 1880]
Hugo Lorenz [bis 1909],
geboren 26. Juli 1841 in Neumarkt, von 1872 bis 1876 Rektor in Steinau,
bis 1878 in Witzenhausen, am 9. April 1878 ordiniert, danach Pfarrer in
Nazza (Gotha) bis 1880 hierauf Pastor in Habelschwerdt, seit 1. Juli
1881 in Neumittelwalde, trat Ende März 1909 allgemein geehrt in
Ruhestand. Er war mit dem Roten Adler-Orden IV. Klasse ausgezeichnet und
verbrachte seinen Ruhestand in Breslau.)
Karl Jansen [ab 1909]
(Pastorssohn, geboren am 14. Februar 1881 in Bielawe, Kreis Freystadt in
Schlesien, Gymnasium in Braunschweig, Universität Greifswald, Erlangen
und Breslau, ordiniert 3. Oktober 1907 vom 1. August bis
Juli 1909 Pfarrvikar in Wildbahn Kreis Militsch, seitdem Pastor in
Neumittelwalde.)
Soweit geht Franzkowskis Verzeichnis der deutschen
Pastoren. Die Reihe kann fortgeführt werden mit Pastor Leßmann, der etwa
bis 1927/28 in Neumittelwalde amtierte, und mit dem in den Jahren nach
1945 in der Vertreibung verstorbenen Pastor Steinhäuser, der die Reihe
der Pastoren des Pfarramts I beschloß.
Die Reihe der Seelsorger der
"polnischen Gemeinde" führt nach Franzkowskis Chronik der erste Diakonus
Johann Cretius an, der 1633 bis 1668 als Pastor genannt wird.
Samuel
Cretius, der Sohn des vorigen, folgte dem Vater im Amte bis 1699. Danach
ab Neujahr 1700
Balthasar Wayditzer [bis 1718]
Johann Gottfried Cretius [bis 1734]
Georg Sorger [von 1734-1744]
Karl Heinrich Langer [bis 1757]
Traugott Langer, der Bruder des vorigen [bis 1781]
Karl Christian Langer [bis 1783]
Christian Friedrich Hauser (war Rektor und Mittagsprediger in
Wartenberg) [bis 1811]
Theodor Wolff [bis 1836]
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Blick
vom Kirchturm der ev. Kirche nach Südwesten. Links das Amtsgericht.
Bildmitte das Sägewerk Schliwa, ganz rechts der Wasserturm am
Bahnhof Neumittelwalde.
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Ihm folgt der von den
Polen sooft als Vorkämpfer der Polonisierung bezeichnete Alexander
Ludwig Robert Fiedler, am 18. März 1810 zu Groß-Tschirnau geboren. Er
studierte in Breslau, war Hauslehrer, zuletzt in Warschau, wurde 1836
Pastor in Kaulwitz und trat am 29. April 1838 seinen Dienst in
Neumittelwalde an, und verwaltete das Pastorat bis zu seinem Tode am 3.
Mai 1877 "rühmlichst", wie sich Franzkowski in seiner Chronik ausdrückt.
Er war vielfach literarisch beschäftigt, und es ist bezeichnend für die
Toleranz der damaligen Regierung, daß er im Auftrage der Königlich
Preußischen Regierung ein "Polnisch-deutsches Sprachbuch für Landschulen"
herausgab, das im Jahr 1844 sogar noch eine zweite Auflage erzielte.
Von
seinen Veröffentlichungen führt Franzkowski noch an: "Kazania na
wszystki swieta roku koscielnego" (Breslau 1844), "Bemerkungen über die
Mundart der polnischen Niederschlesier" (1844), Predigten und Aufsätze
im "Prophet von Suckow", "Tygodnik literacki" und "Zwiastum
wstrzemiezliwosci". Er sammelte aber auch "polnische Volkslieder" in
Schlesien.
Sein Grabstein stand im nördlichen Friedhofsteil noch in der
letzten Zeit. Gedanken Herders, Gedanken der Romantik mögen diesen
Seelenhirten bewegt haben: Volkstum, Volkskunde, Sitte, Brauchtum und
Sprache des Volkes traten in seiner Jugend in die Vorstellungswelt der
Gebildeten ein. Er fühlte sich glücklich, als er in seiner entlegenen
Pfarre auf jene merkwürdige Zwittersprache traf, die man Wasserpolnisch
nennt. Hier traf er, an der Grenze zwischen zwei Völkern und Sprachen,
eine volkstümliche Besonderheit, die er pflegen wollte.
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Neumittelwalde, Oberring von Schmidt bis
David.
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Auch andernorts - in der Tschechei, auf dem Balkan - waren damals ja
deutsche Geistliche und Gelehrte dabei, fremden Völkern die Eigenart
ihrer Kultur bewußt zu machen. Ihr Wirken entsprang einem kulturellen,
nicht einem politischen Interesse.
Die politischen Akzente wurden diesen Bemühungen erst im späteren 19.
Jahrhundert und vor allem im 20. Jahrhundert aufgesetzt. Pastor Badura,
der "polsche Pastor" (in Neumittelwalde) vor dem Ersten Weltkrieg wollte
gewiß nicht nur volkstümliche Eigenart pflegen. An seinem Tisch waren
konspirierende Polen vornehmer Herkunft oft zu Gaste. Polen, das damals
als eigener Staat ja nicht bestand, hielten sie für noch nicht verloren.
Dieser Glaube war ihr gutes Recht; auch die
Wiedererrichtung Polens (damals) war ein Akt der Gerechtigkeit.
Bedauerlicherweise setzte es (Polen) sich schon bei seiner Gründung
durch die Usurpation von Gebieten, die ihm nicht zustanden, und danach
durch die Unterdrückung der Minderheiten selbst ins Unrecht.
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Innenansicht der ev. Kirche "Zum heiligen Kreuz"
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Bedauerlicherweise abermals zeigte der Sieger von 1939 weder mehr
Rechtsgefühl noch Edelmut. So wurden die Beziehungen zwischen zwei
Völkern durch Staatspolitik vergiftet. In der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts wurden die polnischen Freiheitskämpfer in Deutschland noch
begeistert gefeiert; mindestens bis 1848, in großen Gruppen lange
darüber hinaus waren Preußen, österreich und Deutschland in Polen vieler
Sympathien sicher.
Daß die beiden Völker auch an den Grenzen in Frieden mit- und
nebeneinander leben konnten, dafür ist ja gerade das Wasserpolnisch mit
seiner Mischung aus deutschen und polnischen Bestandteilen ein Beweis.
Dafür ist ein anderer Beweis, daß in Familien mit ganz polnischen Namen
das reinste Deutsch gesprochen wurde, während sich oft Familien
deutschen Namens sich des Polnischen als Umgangssprache und als
Muttersprache bedienten.
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Kantor Karl Eisert an der Orgel
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Mit historischen und sprachlichen Argumenten
streiten ja die polnische und deutsche Wissenschaft schon lange. Auch da
ist leider die interesselose Forschung des 19.
Jahrhunderts durch eine Forschung mit sehr spürbaren Interessen
verdrängt worden. Das alles heilt kein Unrecht, gleicht nichts aus. Die
Wirklichkeit um 1870 sah in Neumittelwalde, das damals noch Medzibor
hieß, wohl so aus, daß man auf dem Lande viel polnisch sprach, während
die Stadt sich ans Deutsche hielt. 1930 sprach man in Neumittelwalde
und seiner Umgebung diesseits der Grenze nur Deutsch.
Auf Pastor Fiedler folgte in den nächsten 5 Jahren bis 1882 Arnold
Spenner, ein Lehrersohn aus Pontwitz, als Geistlicher.
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Im
Jahre 1910 wurde die Eisenbahnlinie von Oels-Groß-Graben-
Neumittelwalde-Adelnau-Ostrowo erbaut. Der erste Zug aus
Richtung Oels ist eingelaufen. Blick auf die "Festversammlung".
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Als nächster in
der Reihe folgt der bereits erwähnte Georg Badura, geboren 4. April 1845
in Drachomischl, ordiniert am 9. Dezember 1868, Vikar Treßdorf
(Oberkärnten), Pastor in Krakau, Myslowitz, Diakonus in Groß Wartenberg,
Pastor in Laski und seit 1. Juli 1883 in Neumittelwalde. Er trat Ende
September 1909 in den Ruhestand und starb zu Neumittelwalde am 2.
September 1911. Seine großpolnische Einstellung war bekannt, und auch
auf sein Wirken ist es wohl zurückzuführen, daß die mittelschlesischen
Gebiete nach dem Ersten Weltkrieg ohne Abstimmung zu Polen kamen. Badura
verlangte von allen seinen Besuchern, daß sie in seinem Hause nur
polnisch sprechen sollten. Als der damalige junge Kantor Karl Eisert im
Jahre 1908 seinen Antrittsbesuch bei Pastor Badura machte, wurde er von
Badura begrüßt und darauf aufmerksam gemacht, sich baldigst mit dem
Studium der polnischen Sprache zu befassen, denn: "In meinem Hause wird
nur polnisch
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Der Gegenzug aus Richtung Ostrowo ist eingetroffen.
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gesprochen!" Es dürfte wohl damals das einzige Haus in ganz
Neumittelwalde gewesen sein, in dem "nur polnisch" gesprochen wurde.
Dennoch hat der Einfluß dieses Geistlichen zu einer Vergiftung des
Verhältnisses zwischen den Deutschen und Polen geführt. Im ganzen Kreis
Groß Wartenberg bezeichnete sich damals nur ein geringer Anteil von 0,4
Prozent der Bevölkerung tatsächlich als Polen. Die Zweisprachigkeit des
Gebiets war bekannt. Darauf ist auch bereits hingewiesen worden, und
trotzdem in vielen Dörfern das Wasserpolnisch gesprochen wurde,
bekannten sich doch die Bewohner als Deutsche, wie der oft gehörte
Ausspruch besagte: "Zunge polnisch - Herz deutsch!" Und sie haben alle
ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt, genauso wie jeder andere
deutsche Bewohner dieser schlesischen Gebiete es getan hat: Frei und
ohne Zwang. Einpeitschern und "Falschen Propheten" blieb es vorbehalten,
das Ergebnis einer mehrhundertjährigen Assimilierung
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Neumittelwalde: Der Ring, von der Promenade aus gesehen.
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im Sinne ihrer großpolnischen ehrgeizigen Pläne umzufälschen.
Der letzte
Stelleninhaber ab 1. November 1909 war Pastor Oskar Kursawe. Geboren
am 18. Juli 1883 in Breslau, studierte er in Breslau, Berlin, Halle, war
vom 1. Oktober 1908 bis 30. September 1909 zweiter Pfarrvikar in Beuthen
OS. und kam am 1. Oktober 1909 als Vikar nach Neumittelwalde.
Das aus
diesem Pfarramt nach dem Ersten Weltkrieg gebildete Pfarramt II betreute
einige Jahre später Pastor Kuschka, der vorher in Namslau amtierte und
später als Jugendpfarrer nach Festenberg versetzt wurde. Nachfolger
wurde in den zwanziger Jahren Pastor Hans-Joachim König. Er wurde am 5.
Oktober 1900 in Königszelt in Schlesien geboren. Seine Ordination
erhielt er am 13. April 1926 durch Generalsuperintendent Zänker in
Breslau. Noch im selben Jahr wurde er als junger Pfarrer nach
Neumittelwalde berufen. Während des Hitlerreiches trat Pastor König der
Bekennenden Kirche bei und übernahm es auch, junge Vikare der
Bekennenden Kirche zur Ausbildung aufzunehmen. Bald nach dem Krieg
übernahm er ein Pfarramt in Tangermünde/ Altmark und schließlich das Amt
des Superintendenten im Kirchenkreis Delitzsch, Bezirk Halle. Er starb
am 18. Juni 1967.
Es darf auch nicht vergessen werden, der letzten
Pfarrer und Vikare in Neumittelwalde zu gedenken, u. a. Pastor
Vogelweider, Pastor Hilbrig, Pastor Beer und wir alle in schwerer Zeit
die Kirchengemeindeglieder betreut haben und Anteil nehmen an dem
Schicksal ihrer damaligen Gemeindemitglieder der Kirchengemeinde
Neumittelwalde.
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Neumittelwalde: Katholische Kirche "St.
Josephi" mit Pfarrhaus und Schule und St. Joseph-Stift mit Kindergarten.
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Die katholische Kirchengemeinde
Die Geschichte der katholischen Kirchengemeinde begann, wie bereits
angedeutet, erst wieder 300 Jahre nach der Reformation, während in der
Zwischenzeit keine eigene katholische Kirchengemeinde mehr bestanden
hatte.
Am 21. Oktober 1856 erwirbt der Fürstbischöfliche Stuhl für 3200
Reichstaler das Gasthofgrundstück "Zur Sonne". Nachdem das bisherige
Gasthaus zu einer gottesdienstlichen Stätte mit einer Wohnung des
Geistlichen eingerichtet war, konnte am 14. April, dem 3. Ostertage, die
kirchliche Weihe stattfinden. Kuratus Posor verwaltete unter den denkbar
schwierigsten Umständen das heilige Amt bis zu seinem Tode (3. Oktober
1890 im Kloster der Barmherzigen Brüder zu Breslau). In 30 Ortschaften
unter 10 000 Andersgläubigen wohnten nur 800 Katholiken in Entfernungen
bis zu 15 Kilometern, mit nur einer katholischen Schule und Kirche. Es
war jenes Haus am Ring, das später in den Besitz von Bäckermeister
Eitner überging, von dem neuen Besitzer abgerissen und durch einen
Neubau ersetzt wurde, mit moderner Bäckerei und Kaffee. ganz klar ist
die Darstellung bei Franzkowski allerdings nicht. Es ist aber
anzunehmen, daß dieses Haus (Bäckerei
Eitner) das frühere Gasthausgrundstück "Zur Sonne" war, während das aus
der späteren Zeit bekannte Gasthaus "Zur Sonne" am Oberring nur den
Namen übernommen hatte, als aus dem vormaligen Gasthaus gleichen Namens,
die katholische Schule und Kirche geworden war.
Am 18. August 1891 wurde
die Kuratie durch den Fürstbischof Georg zur Pfarrei erhoben. Zuvor
hatte der Fürstbischöfliche Kommissar, Erzpriester Zajadacz, die
Grundstücke Nr. 116 und 117 um 14 080 Mark gekauft, auf denen eine neue
Kirche errichtet werden sollte. "Zajadacz kam selbst nach Neumittelwalde
und bezog ein kleines Giebelstübchen, um eifrigst daran zu arbeiten, dem
kirchlichen Notstande abzuhelfen." Bereits am 15. Mai 1893 konnte der
Grundstein gelegt werden. Am 19. Juni war der Bau dann soweit gediehen,
daß die Konsekration der Kirche "St. Josephi" durch Weihbischof Dr.
Hermann Gleich unter Teilnahme von 19 Priestern und zahlreichen
Gläubigen stattfinden konnte.
Neben der Kirche war gleichzeitig das
schöne geräumige Pfarrhaus erbaut worden, und anschließend an dieses war
schon der Platz für eine neu zu erbauende Schule
vorgesehen. Die ersten Schritte zu einer katholischen Schule waren
allerdings schon 1854 gemacht worden, und am 10. Oktober 1859 konnte im
oben beschriebenen ersten Kirchengebäude auch eine Schulklasse
eingerichtet werden. Ein eigener Schulbau konnte nach langen
Verhandlungen jedoch erst im Jahre 1911 erstellt werden.
Nach dem Tode von Erzpriester Zajadacz erhielt die Gemeinde am 17.
Januar 1900 ihren ersten investierten Pfarrer, Johannes von Glowczewski,
dem am 30. Oktober 1907 Pfarrer Adolf Pitynek im Amte folgte. Nach
dessen Zurruhesetzung übernahm die Pfarrei am 1.4.1911 der
Militärseelsorger der 21. Division in Mainz, Pfarrer Max Otto Peukert,
geboren am 27. Oktober 1880 zu Berlin. Pfarrer Peukert hat bis in die
dreißiger Jahre hinein in Neumittelwalde als Seelsorger gewirkt.
In den letzten Jahren hatte Leonhard Hruschka, der am 13. April 1906
in Groß Wartenberg geboren wurde, das Pfarramt in Neumittelwalde inne.
Er ist am 27. August 1970 in 3501 Naumburg gestorben.
Schulwesen und Kindergarten
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Neumittelwalder Kindergarten mit Schwester "Martha". Die Schwestern hörten alle
auf diesen Namen.
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über das frühe Schulwesen ist in der Viewegschen Schulchronik
ausführlich berichtet. Vor der Jahrhundertwende leitete Rektor
Strauchmann die evangelische Schule. Um die gleiche Zeit amtierte auch
der Großvater des Verfassers, Lehrer Carl Labitzke, an der Schule und
versah auch den Dienst als Organist an der evangelischen Kirche.
(Letzter Kantor war Karl Eisert, geboren am 24. November 1880 in
Liegnitz, gestorben am 17.4. 1947 in Neumittelwalde.) Aus der Zeit vor
dem Ersten Weltkrieg sind die Namen der Schulleiter nicht mehr bekannt.
Erinnert sei aber an die Hauptlehrer Barth und Rolle, Lehrer Alfred
Hoffmann und den in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg amtierenden
Rektor Hermann Reimnitz, sowie an Lehrer Arnold, Lehrerin Fräulein
Wennrich, an Lehrer Hans Klawitter, Lehrer Hans und Lehrerin Fräulein
Seefig.
Das alte Schulgebäude am Unterring hatte nach dem Ersten
Weltkrieg den Anforderungen nicht mehr genügt und so wurde in der
Amtszeit von Bürgermeister Jäschke eine neue Schule geplant und gebaut.
Durch den Tod des letzten Sprosses der Grafen von Reichenbach der
Neumittelwalder Linie, Rittmeister a. D. und Erbjägermeister des
kaiserlichen Hauses, Christoph Graf von Reichenbach, ging dessen
Grundstück an der Ecke Ossener - Kraschener Straße gelegen, in den
Besitz der Stadt über. Im alten Teil des "Schlosses" wurde später die
Nebenstelle der Kreissparkasse untergebracht, der restliche Teil diente
Wohnzwecken. Im neuen Gebäudeteil, an der Kraschener Straße, erhielt die
Stadt durch Umbau der Räume das längst notwendige Rathaus. Vorher war
die Stadtverwaltung im Amtsgerichtsgebäude an der Bahnhofstraße in
Mieträumen untergebracht. Im Garten des ehemaligen gräflichen Schlosses
erstand die neue Volksschule, ein Bau nach den modernsten
Gesichtspunkten, mit großen, hellen Klassenräumen. Für die
Anfängerklasse wurde sogar bereits eine sogenannte "Tischelklasse"
eingerichtet, im Gegensatz zu den bisher üblichen Bankklassen. Die
Schule hatte alle nur erdenklichen modernen Einrichtungen, wie
Haushaltsklassenräume und Kochschulräume, Handarbeitssaal, Duschräume
und Bäder im Kellergeschoß und im ausgebauten Dachgeschoß eine
Jugendherberge.
Hausmeister dieses wirklich praktischen und schönen
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"Tischelklasse" mit Frl. Seelig
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Baues war der frühere Ziegelmeister der Kraschener Ziegelei, Gade, dem
auch die gärtnerische Betreuung der Blumenrabatten und Anlagen oblag.
Vorgesehen war in einem zweiten Bauabschnitt der Anbau einer modernen
Turnhalle. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhinderte allerdings
dann die Ausführung dieses Planes. Die "neue Schule" nahm auch die
katholische Schule (als Lehrer waren damals wohl Sladek und Becker im
Amt) als Gemeinschaftsschule auf. Die Räume der freigewordenen
katholischen Schule an der Kirchstraße standen nun der katholischen
Kirchengemeinde für die Jugendarbeit und andere kirchlichen Aufgaben zur
Verfügung. Die evangelische Kirchengemeinde besaß in ihrem Gemeindehaus
an der Kraschener Straße ein vortrefffiches gut eingerichtetes und
repräsentatives Haus, mit Gemeindesaal, Kindergarten und der
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Arbeitsdienstabteilung auf dem Ring
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Schwesterstation, das in den dreißiger Jahren durch Anbau eines neuen
Kindergartens eine schöne Vergrößerung erfuhr. Die katholische
Kirchgemeinde errichtete ebenfalls in der Amtszeit von Bürgermeister
Jäschke dicht bei der katholischen Kirche an der Kirchstraße durch Umbau
eines Wohnhauses das Josephsstift mit Schwesternstation und
Kindergarten.
In das durch den Schulneubau frei gewordene alte
Schulgebäude am Unterring zog in den Jahren 1934/35 der freiwillige
Arbeitsdienst mit einer Arbeitsdienstabteilung der Gruppe 111 Oels ein.
Durch Barackenbauten in einem Teil des angrenzenden Pfarrgartens der
evangelischen Kirche wurde nach Einführung der Arbeitsdienstpflicht die
Aufnahmefähigkeit des Lagers bedeutend erweitert.
Veränderungen durch die Grenzziehung von 1920
Die Grenzziehung nach 1920 bescherte Neumittelwalde auch die Einrichtung
eines Grenzzollbezirkes mit dem Neubau der Grenzzollämter in Granowe und
den Gemeinde Hirschrode (Klenowe), Landeshalt (Kraschen-Niefken),
Kraschen und in Neumittelwalde selbst, des Zollamtes Bahnhof nebst den
dazugehörigen Zollbeamtenwohnhäusern an der Kraschener Straße und an der
Kirchstraße. (Die Häuser an der Kirchstraße wurden erst Ende der
zwanziger Jahre gebaut.)
In dieselbe Zeit fiel auch die Gründung der Arbeiterzentrale (zunächst
untergebracht im späteren Carl-Liebchenschen Grundstück) die mit einem
Neubau an der Bahnhofstraße ein Durchgangslager schuf, das für die
Abfertigung der alljährlich für die mitteldeutsche Landwirtschaft
angeworbenen polnischen Saisonarbeiter diente. Es mögen jeweils gegen 20
000 Personen gewesen sein, die für einige Wochen im Frühjahr und im
Herbst dem Eisenbahnverkehr auf dem Grenzbahnhof in Neumittelwalde eine
besondere Note gaben. Auch der Bahnhof Neumittelwalde erfuhr einen
großzügigen Ausbau. Die Abfertigungsgebäude wurden erweitert,
Zollschuppen neuerrichtet. Die Gleisanlagen bedeutend erweitert und neue
Beamtenwohnhäuser errichtet. Dieser Bahnhof erhielt einen Umfang, der
für Jahrzehnte allen Anforderungen entsprach.
In die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg fiel auch der Neubau von zwei
Sägewerken, von denen das Rosemannsche Sägewerk später in den Besitz der
Vereinigten Holzindustrie AG überging. Diese Firma hatte auch in Breslau
größere Werke, sie kaufte in allen nord- und osteuropäischen Ländern
große Mengen Stammholz, das in den eigenen Sägewerken zu Bau- und
Tischlerholz aufgearbeitet wurde. In den Wintermonaten brachten
polnische Holzfuhrleute mit ihren Pferdegespannen, Wagen oder Schlitten,
das Stammholz über die Grenze zu den Sägewerken. In manchem Jahr zogen
diese Holztransporte vom frühen Morgen bis zum späten Abend von der
Grenze her durch die Stadt, monatelang.
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Grenzzollämter wurden errichtet, hier das Grenzzollamt Granowe,
an der Straße nach Adelnau
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Und in den Spätherbsttagen passierten oft Tausende von "Grenzgängern" im
"Fußmarsch" die Grenze, in breiter Front die Straßen füllend. Es waren
die polnischen Gänse, die von einer Treibermannschaft zum Bahnhof in
Neumittelwalde getrieben wurden, dort tierärztlich untersucht und in
Spezialwagen der Eisenbahn verladen, den Weg in die Mastanstalten
antraten und gegen die Weihnachtszeit in vielen deutschen Großstädten
als Festbraten in der Bratpfanne, herrlich knusprig, dem Gaumen und
Magen als Labsal, den Höhepunkt des weihnachtlichen Festmahls
darstellten.
Bedeutsame änderungen brachte die Zeit nach dem Ersten
Weltkrieg auch durch die Aufteilung verschiedener Güter in
Landsiedlungen. Aufgeteilt und gesiedelt wurde u. a. in Kraschen, in
Ossen-Oberhof und Ossen-Schloß. An der Ossener Gemarkungsgrenze gegen die
Stadtgemarkung entstand eine geschlossene Nebenerwerbssiedlung. Durch
Ansiedlung von Landwirten (hauptsächlich aus Westfalen) auf den
neugeschaffenen Stellen, erfuhr auch das Wirtschaftsleben der Stadt
einen gewissen Auftrieb.
ärzte und Zahnärzte
Gewiß ist, daß in der frühen Geschichte wohl nur heilkundige Laien - wie
überall waren es die Schäfer auch den menschlichen Leiden zu begegnen
suchten. "Weise Frauen" mögen mit "Besprechungen" und Kräutern
quacksalbert haben. Beide Gruppen fanden auch noch bis in die letzten
Tage (um 1945) ihre Kundschaft und "gläubige" Kranke. Wer jedoch in
früherer Zeit einen wirklichen Arzt brauchte, mußte schon den weiten Weg
nach Oels oder Breslau zurücklegen.
Der erste dem Namen nach noch
bekannte Arzt war ein Dr. Weiß. Später war es Dr. Kuhn und dessen
Nachfolger Dr. Karl Thon, der 1961 in Exten bei Rinteln gestorben ist.
Mit deren Tätigkeit hatte die Bevölkerung eine gute ärztliche Versorgung
am Ort.
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Die alte Postkutsche vor ihrer letzten Abfahrt in
Neumittelwalde am 19.11.1910 Auf dem Kutschbock Fahrer Likow am
rückwärtigen Wagenschlag der Arzt Dr. Kuhn.
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Ebenso war es mit den Zahnärzten bestellt. Bis in die Zeit des Ersten
Weltkrieges zog der Bader (Friseur) die Zähne, manchmal wird auch der
jeweilige Arzt eine Extraktion vorgenommen haben. Erst die Zeit nach dem
Ersten Weltkrieg blieb es vorbehalten, daß sich Zahnärzte in
Neumittelwalde niederließen. (Walter Forelle, Edlich, Pohlenz, Büsser).
Als Heilpraktiker eröffnete Gläsner auf der Kirchstraße eine Praxis.
Hinzu gesellte sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg ein Tierarzt, der
in seinem Bereich genügend "Patienten" hatte. Der letzte Tierarzt war
Dr. Justus Barbarino, dessen sehr geräumiges neu erbautes Haus an der
Stadtgrenze gegen Kraschen gelegen heute zum Entbindungsheim
umfunktioniert wurde.
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Das vordem Ersten Weltkrieg erbaute Amtsgericht in
der Bahnhofstraße (Herrenstraße)
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Das Amtsgericht
Neumittelwalde war auch Sitz eines Amtsgerichtes. Wer kannte nicht das
"Altes Gericht" genannte Haus in der Kraschener Straße gegenüber des
evangelischen Gemeindehauses. Mindestens bis in die Zeit nach der
Jahrhundertwende war dort das Amtsgericht untergebracht, bis es vor dem
Ersten Weltkrieg in das an der Bahnhofstraße neuerbaute Gerichtsgebäude
mit Strafgefängnis einziehen konnte. Es war eins der wenigen
repräsentativen Gebäude der Stadt. Amtsgerichtsrat Krug und in den
späteren Jahren Amtsgerichtsrat Dr. Goebel mögen als dort amtierende
Richter nur in Erinnerung gebracht werden. Natürlich kann dieser Beitrag
nicht das vielschichtige und vielgestaltige Leben in Neumittelwalde
vollkommen und umfassend wiedergeben. Er soll eben nur "ein Beitrag"
sein, um die Vergangenheit und die Erinnerung an Neumittelwalde zu
bewahren und sie nicht ins Dunkel zurücksinken zu lassen.
Quellenangaben:
Herbert Schlenger, "Aus der Entwicklung von Neumittelwalde" Verlag
Karl-Heinz Eisert, Schwäbisch Gmünd, 1961. Gekürzter und veränderter
Abdruck der Festschrift "Wie eine Grenzstadt wurde". (Neumittelwalde
1937).
Johann Ernst Wilhelm Vieweg "Chronik der Stadt Medzibor, der
Kirche und der Schule daselbst" (Handschriftliche Abschrift beim
Verfasser.)
Joseph Franzkowski, "Geschichte der freien
Standesherrschaft, der Stadt und des landräthlichen Kreises Groß
Wartenberg". Selbstverlag des Verfassers, Groß Wartenberg, 1912.
Briefwechsel mit Min.-Dir. Gottfried Eisert, Stuttgart, aus den Jahren
1958-1962.
Groß Wartenberger Heimatblatt, Schwäbisch Gmünd/Alfdorf,
Jahrg. 1958 bis 1970.
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